Positive Leadership – Wie Sie Wohlbefinden und Leistung verbinden

Positive Leadership wird zunehmend zur Norm in der Unternehmenswelt und soll Potenziale freisetzen sowie das Wohlbefinden der Mitarbeitenden steigern. Dr. Markus Ebner hat zu diesem Führungsstil das praxisnahe PERMA-Lead-Modell entwickelt und berichtet zentrale Erkenntnisse aus seiner jahrelangen Forschungsarbeit zu der Umsetzung und den Vorteilen dieses Führungsansatzes.

Herr Dr. Ebner, was verbirgt sich hinter dem Konzept „Positive Leadership“? 

Ein einheitliches Konzept gibt es eigentlich nicht. Kim Cameron hat den Begriff Positive Leadership als Organisationskulturkonzept geprägt; Fred Luthans entwickelte das Konzept des psychologischen Kapitals. Erst später kam die positive Psychologie hinzu. Allgemein ist Positive Leadership ein Führungsansatz, der die Stärken von Mitarbeitenden sowie die Rahmenbedingungen zum Ausleben und Entwickeln derselben im Fokus hat. Es geht nicht um das bloße Funktionieren einer Organisation, sondern um die Entfaltung von Potenzial. 

Die Sichtweise, Menschen in Organisationen nicht wie Maschinen zu behandeln, ist allerdings relativ jung. Dass die „Maschine Mensch“ auch Emotionen hat, kreativ ist und individuelle Potenziale mitbringt, so dachte man zu Beginn im Rahmen von Führung nicht. Natürlich muss man Fehler reduzieren, aber um Potenzial zu entfalten, braucht es noch mehr.  

Hier kommt Positive Leadership ins Spiel? 

Ja. Zunächst möchte ich mit dem größten Missverständnis zu Positive Leadership aufräumen: Positive Leadership heißt nicht, dass wir alles Negative ausblenden und nur noch das Positive sehen. Es ist kein Weichspüler-Konzept, bei dem alle bloß Spaß haben und sich loben, sondern eine ganzheitliche Sichtweise. 

Sie haben das PERMA-Lead-Modell entwickelt. Wie kam es dazu? 

Das PERMA-Modell der positiven Psychologie, an das ich anknüpfe, hat Martin Seligman erarbeitet. Es beschreibt, was Wohlbefinden (wellbeing) ausmacht. Das Akronym PERMA steht für Positive Emotions, Engagement, Relationships, Meaning (also Sinnhaftigkeit) und Accomplishment (also Ziele zu haben und zu verfolgen). Als ich Seligman das erste Mal davon sprechen hörte, habe ich zahlreiche Verknüpfungspunkte zu Führungstheorien gesehen:  

Von den etablierten Führungstheorien sind manche eher beziehungsorientiert (z. B. transformationale Führung) und docken an das R von PERMA an. Andere sind eher zielorientiert (z. B. transaktionale Führung), das passt zu Accomplishment. Neuere Führungsansätze, die Empowerment fokussieren, fallen wiederum dem Engagement zu, während das Thema „purpose at work“ Meaning abdeckt. 

Angesichts dieser Querverbindungen wollte ich aus PERMA ein integratives Führungsmodell entwickeln, das mehrere Elemente aus existierenden Führungsansätzen berücksichtigt. Positive Leadership bedeutete demnach, dass die Führungskraft aktiv zur positiven Beeinflussung des PERMA-Erlebens der Mitarbeitenden beiträgt. Das war die Grundidee. 

Wie sind Sie weiter vorgegangen? 

Wir haben Einzelfragen aus bestehenden Führungskräftefragebögen herausgelöst und den fünf PERMA-Faktoren zugeordnet, z. B.: „Meine Führungskraft trägt dazu bei, dass ich mich am Arbeitsplatz wohlfühle“ (Faktor P) oder „Meine Führungskraft gibt mir eine Rückmeldung, wenn ich etwas geschafft habe“ (Faktor A). Diese haben wir zusammen mit eigens formulierten Fragen Führungskräften vorgelegt, damit diese die unverständlichen Items aussortierten. Aufgrund der hohen Korrelation zwischen den Faktoren haben wir zwei Jahre gebraucht, bis der Test ausreichend differenzierte.  

Bereits mit unseren ersten Forschungsprojekten konnten wir belegen, dass ein PERMA-Führungsverhalten mit geringerer Stressbelastung und Burnout-Gefährdung bei Mitarbeitenden korreliert. Lehrer:innen an Schulen, die nach der PERMA-Logik geführt werden, haben ein stärkeres Selbstkompetenzerleben und sind selbstbewusster. Später haben wir härtere Kennzahlen hinzugenommen, z. B. in Supermärkten: Es gab einen hochsignifikanten Zusammenhang zwischen dem durchschnittlich pro Einkauf ausgegebenen Betrag und dem von den Mitarbeitenden bewerteten Führungsstil der Filialleitung.  

Bei diesen Ergebnissen wurden Firmen hellhörig. Mittlerweile richten sehr viele bekannte Unternehmen, z. B. Bosch, Lidl, Aldi Süd, Ikea, DM oder auch SOS Kinderdorf ihr Führungsprogramm nach diesem Führungsstil aus. 

Porträtfoto von Dr. Markus Ebner

Im Gespräch mit Dr. Markus Ebner (Foto: privat)

Wie wirkt sich PERMA-Lead auf Führungskräfte aus? 

In unserer aktuellen Studie beleuchten wir z. B. Resilienz: Wie erleben Führungskräfte sich selbst in Bezug auf Positive Leadership und wie resilient sind sie? Eine Studie mit rund 2500 Führungskräften ergab einen schönen fast linearen Zusammenhang: Je mehr eine Führungskraft nach dem PERMA-Lead-Prinzip führt, desto resilienter fühlt sie sich. Das zeigten Selbsteinschätzungs- und Fremdratingdaten. 

Bei Feldforschung muss man jedoch vorsichtig sein, denn wir können wenig variieren und sprechen überwiegend über Korrelationen, nicht über klare Kausalketten. Dennoch: Die vielen Korrelationen sprechen für das Konzept.  

Wie können Unternehmen Positive Leadership etablieren?  

Für die Praxis haben wir drei Messinstrumente entwickelt. Den PERMA-Lead-Profiler, bei dem sich Führungskräfte selbst einschätzen und mit anderen Führungskräften gebenchmarkt werden. Dann das PERMA-Lead-360°-Feedback: Dort bekommen Führungskräfte eine exakte Rückmeldung ihres messbaren Führungsverhaltens aus der Selbstwahrnehmung und aus der Perspektive der anderen. Und die Organisationskulturanalyse, bei der wir gegenüberstellen, wie in der Organisation geführt wird und welche Erwartungshaltung Mitarbeitende an Führung haben. Mit diesen Tools arbeiten Berater:innen in den Unternehmen. Wir haben bis dato über 1300 ausgebildet.  

Grundsätzlich kann jedes Unternehmen mit diesem Ansatz arbeiten. Die Frage ist immer: Wo holen wir ein Unternehmen ab, wie viel Positive Leadership gibt es dort schon? Wenn Sie einen Marathon laufen wollen, richten sich die Maßnahmen auch danach, wie trainiert Sie schon sind.  

Können Sie Beispiele nennen, wie Unternehmen Positive Leadership fördern? 

Das können einfach umzusetzende Dinge sein. Es lohnt sich beispielsweise, Führungskräfte darin zu trainieren, ehrliches positives Feedback zu geben. Im Stress neigen viele dazu, nur die Fehler zu kommunizieren und die funktionierende Arbeit unkommentiert zu lassen. Das kann sehr demotivierend sein. Zusätzlich lernen Führungskräfte auf Seminaren Stärkendiagnostik: Welche Stärken haben Mitarbeitende und wie können sie diese mehr in den Job einbringen?  

Ein anderes Beispiel: Ein Möbelbetrieb wollte mehr Relationships schaffen, denn die einzelnen Abteilungen hatten wenig miteinander zu tun. Die Lösung war sehr kreativ: Auf den Flachdächern wurden Hochbeete geschaffen, die von den Mitarbeitenden in den Pausen oder nach der Arbeit bearbeitet werden konnten. Wenn man sich anderen Menschen – und sei es beim Tomatenpflanzen – näher fühlt, wirkt sich das generell im Arbeitsleben günstig auf die Leistung, Fluktuation und das Stresserleben aus. 

Noch ein Beispiel: Fragen Sie mal Ihre Mitarbeitenden im Vier-Augen-Gespräch, ob sie ihrer Meinung nach sinnlose Aufgaben haben. Die Antworten werden Sie überraschen. Dann können Sie erklären, wo der Sinn der Aufgaben liegt, oder Sie prüfen, ob die Aufgaben notwendig sind, falls sie tatsächlich wenig Sinn ergeben.  

Stellt PERMA-Lead Führungskräfte vor Herausforderungen? 

Als herausfordernd erlebe ich es v. a. für Führungskräfte, deren Haltung wenig zu Positive Leadership passt. Der erste Schritt ist dann die Einstellungsänderung. Überzeugen können wir oft mit harten Kennzahlen zum Nutzen von PERMA-Lead. Generell ist es wichtig, faktenbasiert zu argumentieren.  Wenn eine Führungskraft die Überzeugung entwickelt hat, dass Menschen nur unter Druck arbeiten und eher faul sind, fällt es ihr naturgemäß schwerer, an PERMA-Lead zu glauben. 

Wie weit ist die derzeitige Arbeitswelt in Sachen Positive Leadership und was erwarten Sie für die Zukunft? 

Mir erscheinen die Zeit und der Zeitgeist sehr günstig. Darüber hinaus hilft auch der ausgetrocknete Arbeitnehmer:innenmarkt; Arbeitsuchende haben Entscheidungsspielräume und berücksichtigen auch, wie sie wo behandelt werden.  

Kürzlich meinte jemand zu mir: „PERMA-Lead ist eigentlich total trivial.“  Ich sehe das auch so und das ist ausgesprochen positiv, weil es nahe an der Realität der Menschen ist. Das wird sicherlich auch in Zukunft den Mehrwert des Modells ausmachen. 

Vielen Dank für das Gespräch! 

 

Wir sprachen mit: 

Dr. Markus Ebner ist Psychologe, Keynote Speaker, Seminarleiter und Coach sowie in Lehre und Forschung an den Universitäten Wien und Klagenfurt tätig. Er hat das PERMA-Lead Modell begründet und zahlreiche Fachbücher und Publikationen verfasst. Ansonsten verfügt er über ein Diplom in Sozialpädagogik, eine Diplomausbildung in Team- und Organisationsentwicklung und eine Ausbildung in Krisenintervention.

Zum Weiterlesen:

[Werbung] Ebner, M. (2024). Positive Leadership - Mit PERMA-Lead erfolgreich führen. facultas.

[Werbung] Ebner, M. (2024). Positive Leadership in der Praxis. facultas.