Mit Bildung binden: Durch Weiterbildung Fachkräfte gewinnen und halten
Weiterbildung ist nicht nur ein Mittel zur Wissenserweiterung, sondern kann auch als strategisches Werkzeug zur Förderung der Mitarbeiterbindung und -entwicklung genutzt werden. Katherina Bravo und Sabrina Wagner erläutern anhand von Studienergebnissen, welche Rolle Weiterbildungen bei einer effektiven Mitarbeiterbindung spielen.
Es herrscht große Unruhe in der Beziehung zwischen Mitarbeitenden und ihren Arbeitgebern. Nicht nur der demographische Wandel, auch die Digitalisierung und die Akademisierung in Deutschland haben dazu geführt, dass sich das Blatt gewendet hat und wir mittlerweile von einem Arbeitnehmermarkt sprechen.
Unternehmen aller Größen und Branchen stehen nun vor der Herausforderung, sowohl die passenden Mitarbeitenden für sich zu gewinnen als auch langfristig zu halten. Denn Kündigungen kosten Unternehmen viel Geld. Zu den Kosten für die Neubesetzung einer Stelle kommen unter anderem Ausgaben für Recruiting, Einarbeitung, mögliche Qualitätseinbußen oder sogar Ansteckungseffekte hinzu (Allen, 2008). Daher lohnt sich der Blick darauf, warum Mitarbeitende Unternehmen verlassen. Wie eine Studie von Rubenstein et al. (2018) zeigt, gehören fehlende Entwicklungsmöglichkeiten dabei zu den häufigsten Kündigungsgründen.
Doch was wünschen sich Mitarbeitende heute von Unternehmen in Bezug auf ihre eigene berufliche Entwicklung? Wie müssen Weiterbildungen aussehen, damit sie auf die Mitarbeiterbindung einzahlen? Die aktuelle Weiterbildungsstudie 2023 der Bitkom Akademie und HRpepper Management Consultant bringt Licht ins Dunkel.
Weiterbildungsstudie: 6 Kernergebnisse für Personaler:innen
Die Studie beleuchtet, welche Rolle Weiterbildungen bei einer effektiven Mitarbeiterbindung spielen. Sechs Kernergebnisse sind für HR-Verantwortliche dabei besonders aufschlussreich. Die letzten beiden werden näher betrachtet.
29 % beurteilen das Angebot ihres Arbeitsgebers an Weiterbildungen und Coachings als schlecht oder sehr schlecht.
Fast jede oder jeder Dritte ist mit dem Weiterbildungsangebot des eigenen Arbeitsgebers unzufrieden. Berücksichtigt wurden dabei sowohl interne und externe Weiterbildungsangebote, an denen die Mitarbeitenden teilnehmen können, als auch Coachings. 38 Prozent empfinden das Weiterbildungsangebot als gut, ein Viertel sogar als sehr gut oder ausgezeichnet.
87 % erfahren durch die Möglichkeit, Weiterbildungen zu besuchen, Wertschätzung.
Die überwiegende Mehrheit gibt an, dass sie sich von ihrem Arbeitgeber wertgeschätzt fühlen, wenn sie Weiterbildungen und Coachings besuchen können. Diese Wertschätzung stärkt die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen und hat nachweislich positive Auswirkungen auf Gesundheit, Motivation und Leistungsbereitschaft. Weiterbildung ist also weit mehr als nur Wissenserweiterung (Göll & Rettler, 2010).
37 % der über 60-Jährigen haben keinen Einfluss auf die Wahl ihrer Weiterbildung.
Ältere Beschäftigte werden bei Weiterbildungen häufig nicht berücksichtigt. Der Anteil derjenigen, die keinen Einfluss auf ihre Weiterbildungen haben, ist unter den über 60-Jährigen besonders hoch (37 % im Vergleich zu 18 % im Durchschnitt). Gleichzeitig hat die Weiterbildungsstudie hervorgebracht, dass ihnen Weiterbildungen genauso wichtig sind wie jüngeren Beschäftigten.
49 % sind der Meinung, dass das Metaversum in fünf Jahren zentraler Bestandteil von Aus- und Weiterbildungen sein wird.
Lernen im Metaversum? Dass virtuelle Welten in der Aus- und Weiterbildung eine zentrale Rolle spielen, kann sich rund die Hälfte der Befragten vorstellen – und das bereits in den nächsten fünf Jahren.
Im Fokus: Weiterbildungsstrategie
50 % der Mitarbeitenden im Personalwesen können nicht sicher sagen, ob ihr Arbeitgeber eine Weiterbildungsstrategie hat.
Mit 58 Prozent ist sich etwas mehr als die Hälfte der Berufstätigen nicht sicher, ob das eigene Unternehmen eine Weiterbildungsstrategie hat. Besonders überraschend: Selbst unter den Mitarbeitenden im Personalwesen weiß dies jede bzw. jeder Zweite nicht.
Warum gibt es so viele Unsicherheiten? Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass die Entwicklung einer klaren Strategie keine Priorität hat, Ziele nicht festgelegt werden oder schwer greifbar sind. Die Weiterbildungsstudie zeigt Handlungsfelder auf: Das Weiterbildungsangebot muss an einer Weiterbildungsstrategie ausgerichtet sein. Es reicht nicht mehr ein „breites” Weiterbildungs-Buffet zu haben à la „da ist schon für alle etwas dabei”. Vielmehr sollte das Angebot sich an den Lernbedarfen der Organisation ausrichten, welche nötig sind, um weiterhin am Markt wettbewerbsfähig zu sein.
Die Entwicklung von (Zukunfts-)Kompetenzen stellt eine strategische Notwendigkeit dar, die HR, Learning & Development und die Führung gemeinsam und konsequent umsetzen müssen. Wenn HR effektive und zukunftssichere Kompetenzen in einer Organisation aufbauen möchte, muss die Planung und das Handeln eng an die Geschäftsstrategie anschließen. Im besten Fall ist HR bereits in die Entwicklung der Gesamtstrategie eingebunden, denn es sollte ein Verständnis dafür vorhanden sein, dass Lernen eine strategische Notwendigkeit ist und sogar an Bedeutung zunimmt.
Damit Lernen nachhaltig und zielführend ist, muss es auf die Unternehmensstrategie abgestimmt sein, und die zu erlernenden Kompetenzen müssen aus den Unternehmenszielen abgeleitet werden. Daraus wiederum definieren sich Lernlandschaft und Lernangebot. Ein entscheidender Baustein in der Lernlandschaft ist dabei ein Lernangebot für den Erwerb von digitalen Kompetenzen.
Im Fokus: Digitale Kompetenzen
84 % ist es wichtig, digitale Kompetenzen durch Weiterbildungen auszubauen.
Damit sind die digitalen Kompetenzen das Top-Weiterbildungsthema unter Berufstätigen. Darauf folgen Schulungen zu Soft Skills, der mentalen und körperlichen Gesundheit, Projektmanagement sowie Compliance.
Dass digitale Kompetenzen benötigt werden, überrascht nicht – schließlich gibt es keinen Arbeitsbereich, der nicht von der Digitalisierung betroffen ist. Das Wissen und die Sicherheit im Umgang mit digitalen Tools wird branchen- und positionsübergreifend benötigt, auch fernab von „Bürojobs”. So müssen Krankenpfleger:innen Patientendaten in Systemen verwalten, Fertigungsarbeiter:innen müssen IoT-Geräte bedienen können und Techniker:innen nutzen schon jetzt Augmented Reality bei Reparaturarbeiten.
Zudem entstehen aufgrund des fortlaufenden technologischen Fortschritts kontinuierlich neue Anforderungen an Berufstätige. Künstliche Intelligenz hat zum Beispiel durch den Launch von GPT-4 zu Beginn des Jahres 2023 einen wahren Boom erlebt. Nicht nur zum fachspezifischen, sondern auch zum rechtlich und ethisch korrekten Einsatz des Tools möchten sich Berufstätige nun weiterbilden.
Leider steht die hohe Bedeutung, die den digitalen Kompetenzen zugeschrieben wird, im Kontrast zum tatsächlichen Angebot: Gerade mit dem Weiterbildungsangebot ihres Arbeitgebers zu Digitalthemen zeigen sich Berufstätige unzufrieden. 44 Prozent stufen das Angebot zu digitalen Technologien als schlecht oder sehr schlecht ein. Bei innovativeren Technologien, zum Beispiel im Bereich der Künstlichen Intelligenz wie ChatGPT, sind es sogar knapp die Hälfte (49 Prozent). Hier ist noch viel Luft nach oben.
Fazit und Handlungsempfehlungen
Die Bedeutung von Weiterbildung in Organisationen kann kaum überbetont werden. Lernen ist kein “Nice-to-have” mehr. Heutzutage ist es essenziell, dass Unternehmen eine klare, definierte Weiterbildungsstrategie entwickeln, die sich bestenfalls an der übergeordneten Unternehmensstrategie ausrichtet. In unserer schnelllebigen Welt ist die Qualifizierung der eigenen Belegschaft entscheidend, um die eigene Marktrelevanz beizubehalten. Gleichzeitig können Unternehmen mit einem besonderen Weiterbildungsangebot ihre Arbeitgebermarke stärken und ein starkes Argument für neue Talente schaffen.
Zudem sind Unternehmen aufgefordert, eine Kultur zu fördern, die das Erlernen digitaler Kompetenzen ermutigt und als Teil des täglichen Arbeitens angesehen wird. Diejenigen, die ihre Mitarbeitenden mit Zukunftskompetenzen ausstatten, sichern sich einen strategischen Vorteil, indem sie zum Beispiel das Know-how zu Künstlicher Intelligenz intern aufbauen. Dazu gehört auch das Wissen zum rechtlich sicheren und ethisch korrekten Umgang mit den neuen, smarten Technologien.
Wer diese Aspekte berücksichtigt, stellt sicher, dass die Weiterbildung nicht nur als Mittel zur Wissenserweiterung, sondern auch als strategisches Werkzeug zur Förderung der Mitarbeiterbindung und -entwicklung genutzt wird.
Zur Weiterbildungsstudie
Bereits zum vierten Mal führten die Bitkom Akademie und HRpepper Management Consultants ihre jährliche Weiterbildungsstudie durch. In der Online-Befragung wurden über 1.100 Berufstätige, darunter Geschäftsführende, leitende Angestellte sowie Angestellte ohne leitende Funktion aus allen Branchen, befragt. Befragungszeitraum war der 25.05.2023 bis 10.07.2023. Die Ergebnisse wurden am 26.09.2023, zum Tag der Weiterbildung, veröffentlicht. Die gesamte Studie kann auf folgender Website kostenfrei heruntergeladen werden: https://bitkom-akademie.de/weiterbildungsstudie-2023