Führungskräfteentwicklung: Mit Verzahnung zum Erfolg

Führungskräfteentwicklung betrifft die gesamte Organisation. Daher ist die Verzahnung aller Maßnahmen und der Einbezug aller Beteiligten unerlässlich für erfolgreiches Führen und Führen Lernen. Wie lässt sich eine integrative und verzahnte Führungskräfteentwicklung aufbauen? Was sind Erkennungsmerkmale dafür, ob Verzahnung gelingt?

Unsere Erfahrungen aus 30 Jahren Berufstätigkeit in der Führungskräfteentwicklung (FKE)  zeigen: Entscheidend für die Wirksamkeit ist nicht das Entwickeln einzelner Kompetenzfelder bei Führungskräften, sondern die Verzahnung der Maßnahmen innerhalb der Organisation, mit allen Beteiligten. Ein bedeutsamer Teil ist somit auch die Kulturarbeit.

In den Abschlussveranstaltungen zu unseren Führungskräfteentwicklungen hören wir immer wieder:

„Das war keine Alibi-Veranstaltung. Alle waren in jedem Schritt eingebunden und gefordert, sich in den Entwicklungsprozess einzubringen, auch übergeordnete Führungskräfte und Personaler. Die gesamte Gestaltung ist an die Organisation angepasst und wird immer wieder durch alle Beteiligten auf Passung geprüft.“

Je mehr Teilnehmende dieser FKE-Programme über die Zeit in Führungspositionen hineinwachsen, desto deutlicher wird dieser kulturverändernde Effekt in der Organisation.

Integrative Führungskräfteentwicklung

Was sich leicht anhört, ist für alle Beteiligten viel Arbeit, insbesondere weil Nachhaltigkeit gefragt ist: Der Erfolg ist gebunden an die „Ausdauer“, v. a. der „Personaler“, intern die Prozesse zu begleiten, zu ergänzen und immer wieder integrativ zu arbeiten. Integrativ heißt hier, fortlaufend Antworten auf Fragen zu finden, wie:

  • Welche begleitenden Maßnahmen können die Verzahnung in die Organisation sichern?
  • Wie können wir die obere Führungsebene einbinden, damit diese den Prozess sinnstiftend begleitet und unterstützt?
  • Wer hat in welcher Phase welche Aufgabe – von der Begleitung des Kickoffs über „Kaminabende“ mit Vorgesetzten bis hin zur Gestaltung eines würdigenden Abschlusses des formalen Trainingsprogramms?
  • Welche Projekte können von Führungskräften in der Organisation initiiert und durchgeführt werden, um „Praxisnähe“ der Themen zu leben?
  • Wie gestalten wir Feedbackprozesse, damit auch individuelle Entwicklungen in optimaler Weise angestoßen und nachhaltig begleitet werden? Wo hat in diesen Prozessen wer welche Verantwortung?
  • Wie gewährleisten wir, dass externe Prozessbegleitung und interne Personalentwicklung in engem Austausch bleiben und so gemeinsam dem Gesamtprozess und den einzelnen Personen immer wieder Impulse geben?

Der Erfolg basiert auf ständiger Anpassung an sich entwickelnde Bedarfe! Deshalb ist es wichtig, immer wieder Zwischenevaluationen und Anpassungen zu planen. Schnelle Lösungen und Pauschalangebote sind Erfolgskiller – auch wenn sie verlockend erscheinen.

FKE als Modell für Teamentwicklung

Gleichzeitig erfahren (junge) Führungskräfte in ihren FKE-Gruppen, wie Menschen mit unterschiedlichen Voraussetzungen, Kompetenzen und „Fachrichtungen“ zu einer wertvollen kooperativen Einheit werden. Ein Musterprozess für das Gestalten eigener Teamprozesse in der Führungsrolle. So auch ein Kommentar eines Teilnehmers in der Abschlussveranstaltung eines unserer FKE-Programme:

„Der Zusammenhalt in den jeweiligen FKE-Gruppen ist eine bedeutsame soziale Unterstützung der einzelnen (jungen) Führungskräfte. So werden persönliche Beziehungen zu wichtigen Ansprechpartnern im Unternehmen gewonnen, die als sehr wertvoll erlebt werden. Es sind Beziehungen entstanden, weil wir etwas gemeinsam erlebt haben, und nicht, weil wir netzwerken um des Netzwerkens willen. Jüngere und Erfahrenere können sich austauschen.“

Kulturverändernde Effekte

Die Unternehmenskultur beeinflusst, ob eine verzahnte Führungskräfteentwicklung gelingt. Im Folgenden stellen wir typische Hürden vor und erklären, was im Sinne einer integrativen FKE an deren Stelle treten sollte:

  1. Hürde: Ungeklärte Kompetenzen, Budgetrangeleien
    Sorgen Sie für eine klare Aufgabenverteilung und etablieren Sie eine wertfreie Kommunikationskultur.
  2. Hürde: Angst, etwas Falsches zu sagen oder jemanden zu übergehen
    Geben Sie Führungskräften Zeit zum Führen bzw. seien Sie als Führungskraft geduldig mit sich selbst.
  3. Hürde: Rechtfertigungshaltung und „Ja, aber“-Denken
    Suchen Sie Fehler im System und nicht bei Einzelnen.
  4. Hürde: Rechthaberei
    Authentizität als Ziel aller. Ermutigen Sie alle Organisationsmitglieder dazu, zu ihren Werten zu stehen, auch bei Gegenwind.
  5. Hürde: Eigennützigkeit und Machtorientierung
    Diese Eigenschaften werden gern mit Mut und Durchsetzungskraft verwechselt. Fragen Sie sich kritisch: Wofür stehen Sie und handeln Sie danach?
  6. Hürde: Polarisierungstendenzen
    Denken Sie systemisch. Langjährige Mitarbeitende sind nicht pauschal veränderungsunwillig und neue Angestellte nicht per se egoistisch. Vielmehr geht es um Wechselwirkungen innerhalb des organisationalen Gefüges.

Design einer verzahnten Führungskräfteentwicklung

Das Design einer zielführenden Führungskräfteentwicklung beinhaltet eine Reihe wichtiger Elemente, deren Übersetzung in die Praxis insbesondere mit den verantwortlichen Personalern erarbeitet wird:

1. Ermutigungsräume

Die Organisation und das Führungskräfteentwicklungsprogramm selbst haben das Ziel, Bedingungen zu gestalten, die es Menschen erlauben, (aus Fehlern) zu lernen, sich zu entwickeln und Selbstwirksamkeit zu erleben – und zwar in der täglichen Praxis.

Wie lässt sich das erreichen?

  • Zunächst zum Begriff „Fehler“: Was wann wie ein Fehler ist, ist subjektiv und hängt von bestimmten Kriterien ab. Wir empfehlen, „Fehler" als Anlass zu betrachten, Prozesse, Bedürfnisse, Rollen und die Entscheidungskriterien für „richtig/falsch“ zu klären.
  • Fehlerbörse: Belohnen Sie das Benennen von Fehlern! Zum Beispiel, indem Teams dafür anerkannt werden, dass „Fehler“ benannt und Lösungen hierfür entwickelt werden. Auch die Art der Anerkennung kann von Teams mitgestaltet werden.
  • Schaffen Sie Lernräume für mögliche Änderungsbedarfe und fördern Sie den Blick nach vorne.
  • Erklärungsbriefkasten: Lassen Sie Erklärungen und Rechtfertigungen für Fehler schriftlich verfassen und in eine Box werfen, denn häufig fehlen die Kapazitäten, um langen mündlichen Erklärungen zuzuhören. Entscheiden Sie gemeinsam im Team, wie mit den Erklärungstexten umgegangen werden soll.

2. Basis für Veränderungsmut

Veränderungsmut baut sich auf, wenn Menschen bereit sind, sich stets auf Neues einzulassen und gleichzeitig Bewährtes zu würdigen, zu nutzen und weiterzuentwickeln. Veränderungen gelingen dann, wenn Menschen diese als wertvoll/sinnvoll erachten. Der Erfolg von Veränderungen korrespondiert mit der Kompetenz von Führungskräften, in diesen Prozessen eine „sichere Basis“ (Kohlrieser, 2013) für Mitarbeitende zu sein. Dafür müssen Führungskräfte in der täglichen Praxis:

  • scheitern lernen, das emotionale Tief aushalten und als Wachstum begreifen. Ein Tief ergibt sich meist dadurch, dass wir mit uns selbst abwertend umgehen; anderen würden wir dies so nicht zumuten.
  • sich selbst verpflichten, falls es nicht so kommt, wie gewünscht: Ich werde mich nicht minderwertig fühlen, mich nicht als Versager:in beschimpfen, mir nicht die Kompetenz absprechen. Vielmehr werde ich mir selbst Rückendeckung geben, mir verzeihen, nachsichtig mit mir umgehen und die Situation nach dem Scheitern als neue Ausgangsbasis ansehen.

So gelingt es nach und nach, auch nachsichtig und geduldig mit anderen in Veränderungsprozessen umzugehen, Sicherheit zu vermitteln und Modell zu sein.

3.  Das Generationen-Team

Sichern Sie durch Wertschätzung aller Perspektiven, Anerkennen von Individualität, sinnstiftende Arbeitsinhalte und ressourcenorientierte Begleitung die Verzahnung unterschiedlicher Mitarbeitendengenerationen. Sie brauchen beides: die Erfahrung vorangegangener Generationen und die Impulse neuer Generationen.

Wie kann dies gefördert werden?

  • Mentoring in beide Richtungen! Ältere sind mit ihrer Erfahrung Mentor:innen für Jüngere, geben emotionale Stabilität. Andersherum können Jüngere z. B. bei der Nutzung digitaler Medien unterstützen.
  • Warme Duschen sind etabliertes Teamhandeln: Machen Sie ressourcenorientiertes Feedback zur gelebten Unternehmenskultur.
  • „Onboarding“ für alle! Die sich verändernde Welt bringt auch für langjährige Mitarbeitende neue Tätigkeiten mit sich.

Literatur

Kohlrieser, G. (2013). Care to Dare. San Francisco: Jossey-Bass.

Zum Weiterlesen:

Höhn, S. & Philippi, S. (2024). Reise in die Zukunft der Führung – Neuerscheinung. Zukunftsorientierte Führungskräfteentwicklung: Selbstwert stärken, Beziehungen gestalten, Impulse setzen. Leadership professionell.

Banner für Ausgabe 2/2024, zum Bestellen auf das Bild klicken, es führt zum Onlineshop