Mental gesund dank KI? Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Mentale Gesundheit ist in der dynamischen modernen Arbeitswelt unerlässlich. Studien zeigen, dass auch die seit Jahren voranschreitende Künstliche Intelligenz (KI) die mentale Gesundheit in Unternehmen fördern kann. Wie sieht ein sinnvoller Einsatz der KI in diesem Kontext aus und welche Risiken gilt es zu beachten? 

Die mentale Gesundheit von Mitarbeitenden ist in einer komplexen, dynamischen Arbeitswelt wichtiger denn je. Das verdeutlichen auch eindrücklich die Zahlen des DAK-Psychreport (DAK-Gesundheit, 2024). Diese zeigen einen Anstieg der Fehltage aufgrund mentaler Erkrankungen um 52% im Zehnjahresvergleich.  

Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis einer Studie des US-amerikanischen Soft- und Hardwareherstellers Oracle (2020) und des Forschungs- und Beratungsunternehmens Workplace Intelligence zum Nutzen von Künstlicher Intelligenz (KI) für die mentale Gesundheit beachtenswert:  75% der mehr als 12.000 beteiligten Mitarbeitenden, Manager:innen, HR-Leiter:innen und Führungskräfte der C-Level-Ebene aus elf Ländern gaben an, dass KI ihrer psychischen Gesundheit geholfen habe. Folglich stellt sich die Frage, welche Unterstützungsmöglichkeiten KI bieten kann, um die individuelle Resilienz und Teamgesundheit zu stärken, und wie Unternehmen das Potenzial von KI für eine gezielte Förderung der mentalen Gesundheit nutzen können. Dieser Frage wird im Folgenden mit Blick auf die individuelle und die Teamebene nachgegangen. 

Individuelle Ebene: Unterstützung für Einzelpersonen 

KI kann durch verbesserte Forschung einen wichtigen Beitrag zu einem tieferen Verständnis der mentalen Gesundheit und zur Entwicklung neuer Behandlungsansätze leisten und den Zugang zu Informationen, Tipps und Instrumenten erleichtern, die Menschen dabei helfen, ihre mentale Gesundheit zu verbessern oder zu erhalten (Breuer, 2023). KI-Tools helfen beispielsweise mit personalisierten Angeboten, Stress abzubauen und mentale Resilienz zu fördern. KI-gestützte Therapie-Chatbots passen ihre Ansätze dynamisch an und unterstützen bei Herausforderungen wie Prüfungsangst, Entscheidungsschwierigkeiten oder Unsicherheit. 

Darüber hinaus bieten Zeitmanagement-Tools wie intelligente Kalender oder Fokus-Apps viele Möglichkeiten, ein effektives Selbstmanagement zu fördern – und damit auch Unterstützung für effizienteres Arbeiten. Wichtige Elemente dabei sind:  

  • Termin- und Aufgabenplanung 
  • Automatisierung von Arbeitsabläufen 
  • Fokussierung 
  • Selbstreflexion und persönliche Zielsetzung 
  • Stressbewältigung  

Insbesondere im letztgenannten Bereich kann KI wertvolle Dienste leisten. So zeigen Projekte wie „AI4Coping“ der Hochschule Coburg, dass KI-gestützte Systeme maßgeschneiderte Stressbewältigungsstrategien entwickeln können. Mit Hilfe solcher Technologien können individuelle Bewältigungsansätze geschaffen werden, die langfristig die Resilienz und allgemeine Gesundheit der Mitarbeitenden fördern (Schalk, 2023).  

Zusätzlich können Unternehmen auf KI-Lösungen zurückgreifen, die individuelle Behandlungspläne oder maßgeschneiderte Pläne für die persönliche Weiterentwicklung erstellen (Breuer, 2023). Mithilfe solcher personalisierten Ansätze können Mitarbeitende nicht nur den aktuellen Herausforderungen erfolgreich begegnen, sondern auch ihre Fähigkeiten und Kompetenzen zukunftsorientiert weiterentwickeln. 

Teamebene: Förderung von Zusammenarbeit und Gesundheit 

Die enge Verknüpfung von individueller und Teamgesundheit (Singler, 2022; Winkler, Niedermeier & König, 2024) unterstreicht die Relevanz einer gezielten Förderung auf beiden Ebenen. KI-Tools können dabei eine Schlüsselrolle spielen: Sie unterstützen das individuelle Wohlbefinden und stärken gleichzeitig den Teamzusammenhalt, indem sie Kommunikation erleichtern und helfen, Konflikte frühzeitig zu erkennen.  

Insbesondere in internationalen Teams unterstützen Sprachübersetzungs- und Kommunikationstools die Kommunikation, indem sie Sprachbarrieren abbauen, kulturelle Missverständnisse vermeiden und den Zugang zu relevanten Informationen verbessern. Unternehmen, die in solche Technologien investieren, fördern die Leistungsfähigkeit ihrer Teams und sichern ihre Wettbewerbsfähigkeit (Westwood, o. J.). 

Ein besonders wertvoller Einsatz von KI liegt außerdem in der Analyse von Teamdynamiken und in der Konfliktprävention. Tools, die Kommunikationsmuster oder Stimmungsbilder in Teams auswerten, können Führungskräften dabei helfen, Spannungen oder Unklarheiten frühzeitig zu erkennen.  

Darüber hinaus spielt KI eine entscheidende Rolle bei der Förderung von Kreativität und Innovation. Brainstorming-Tools (bspw. Large Language Models wie ChatGPT) oder KI-gestützte Plattformen können dazu beitragen, schnell und nahezu hürdenlos neue Ideen zu generieren und alternative Perspektiven einzubringen. Dies stärkt Innovationskraft, Kreativität und damit Teamgeist. 

Ein weiteres Potenzial von KI liegt in der Effizienzsteigerung bei Meetings. Automatisierte Notiz- und Protokollsysteme können Besprechungen transparenter und effektiver machen. Solche Tools dokumentieren Diskussionen, erstellen Aufgabenlisten und setzen automatisch Erinnerungen für Folgemaßnahmen. So können sich die Teilnehmenden stärker auf kreative und strategische Themen konzentrieren. 

Schließlich kann KI auch im Wissensmanagement einen großen Mehrwert schaffen. Systeme, die Informationen automatisch sammeln, analysieren und zugänglich machen, verbessern bspw. On- sowie Offboarding-Prozesse oder Übergaben. 

Herausforderungen und ethische Überlegungen 

Trotz der vielen Vorteile von KI müssen auch die damit verbundenen Herausforderungen berücksichtigt werden.  

  • Der Schutz sensibler Daten ist essenziell, besonders wenn KI persönliche oder psychologische Informationen verarbeitet. Unternehmen müssen sicherstellen, dass diese Daten anonymisiert und langfristig geschützt bleiben, um das Vertrauen der Mitarbeitenden zu wahren.  
  • Eine weitere Herausforderung liegt in der Abhängigkeit der KI-Algorithmen von Trainingsdaten, die Vorurteile und Diskriminierung widerspiegeln können. Solche Verzerrungen können bestimmte Gruppen unbeabsichtigt benachteiligen. Umso wichtiger ist es, sie frühzeitig zu erkennen und korrigieren, um Diskriminierung zu vermeiden. Dies erfordert, dass Arbeitgeber bei der Auswahl von Lösungsanbietern sorgfältig darauf achten, ob diese die Themen Diversität und Inklusion mitdenken (Breuer, 2023). Kritisches Denken bleibt auch in diesem Zusammenhang eine zentrale Kompetenz im Umgang mit KI. 
  • Darüber hinaus bleibt die zwischenmenschliche Komponente in der Unterstützung der mentalen Gesundheit unverzichtbar. KI kann wertvolle Unterstützung bieten, ersetzt aber nicht die Empathie und das Vertrauen, die durch menschliche Interaktion entstehen.  Unternehmen sollten daher einen hybriden Ansatz verfolgen, der KI als Ergänzung, nicht als Ersatz betrachtet (auch wenn es hinsichtlich der Kosten  natürlich dazu verführt). 

Fazit: KI zur Unterstützung der mentalen Gesundheit reflektiert und bedarfsorientiert einsetzen  

Die Integration von KI-Systemen kann sowohl individuell als auch im Teamkontext die mentale Gesundheit unterstützen. Bereiche wie verbessertes Selbstmanagement und effizientere Zusammenarbeit profitieren davon. Mit einem reflektierten Einsatz, der die zwischenmenschliche Dimension berücksichtigt, können Organisationen die positiven Effekte optimal nutzen. Ein verantwortungsvoller Umgang erfordert jedoch die Berücksichtigung ethischer Fragen und den Schutz sensibler Daten – ohne kritisches Denken und die Fähigkeit zu reflektieren geht es also auch hier nicht. Zudem gibt es keinen universellen Ansatz für die Implementierung solcher Tools – jede Organisation muss individuelle Lösungen entwickeln, die auf ihre spezifischen Bedürfnisse abgestimmt sind.  

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