Gesund und sicher – Wie Mitarbeitende aufblühen

Mentale Gesundheit ist eine wesentliche Voraussetzung für unser Wohlbefinden und unsere Leistungsfähigkeit. Psychologische Sicherheit gewinnt in einer immer komplexeren und interdependenten Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung. Doch was genau zeichnet diese beiden Konstrukte – psychologische Sicherheit und mentale Gesundheit – aus? Wie hängen sie zusammen? Und wie können wir sie am Arbeitsplatz gezielt fördern, um gesund und leistungsfähig zu bleiben?

 

Angesichts hoher Arbeitsanforderungen, ständigen Leistungsdrucks und Dauerstress gewinnen mentale Gesundheit und psychologische Sicherheit in der modernen Arbeitswelt mehr denn je an Bedeutung. Für Unternehmen gilt es daher für den Erhalt von Produktivität und Arbeitszufriedenheit besonderes Augenmerk auf diese beiden Faktoren zu legen.

Ganzheitliche mentale Gesundheit: Flourishing

Ein Arbeitsumfeld, das die mentale Gesundheit fördert, trägt nicht nur zum Wohlbefinden bei, sondern steigert auch die Produktivität: Menschen, die mental gesund sind, haben weniger Fehltage am Arbeitsplatz, sind belastbarer, fühlen sich seltener hilflos, pflegen gute Beziehungen und haben darüber hinaus eine bessere körperliche Gesundheit (Keyes, 2007). Solche Menschen „blühen auf“ (flourishing) (ebd.). „Aufblühen“ (flourishing) bedeutet demnach, dass wir mit positiven Gefühlen erfüllt sind und sowohl psychologisch als auch sozial gut funktionieren (Keyes, 2002).

Mentale Gesundheit ist somit eng mit Themen wie Wohlbefinden, Glück und Lebensqualität verbunden (Lukat et al., 2016). Bereits in der Antike stellten sich Menschen die Frage, was das Wohlbefinden ausmacht und wie es gefördert werden kann (Pech et al., 2010). In den letzten 30 Jahren hat das öffentliche Bewusstsein für mentale Gesundheit weltweit stark zugenommen (ebd.) und der Begriff taucht gegenwärtig immer häufiger auch im Arbeitskontext auf.

Das Verständnis von mentaler Gesundheit ist oft sehr unterschiedlich, denn die mentale Gesundheit gibt es nicht. Der vorliegende Beitrag orientiert sich an einer empirisch fundierten Definition, welche die mentale Gesundheit anhand von 3 Säulen charakterisiert.

Die 3 Säulen der mentalen Gesundheit

Das emotionale, das psychologische und das soziale Wohlbefinden bilden die 3 Säulen der mentalen Gesundheit.

Das emotionale Wohlbefinden

Aus hedonistischer Sicht bedeutet mentale Gesundheit vereinfacht gesagt, sich glücklich zu fühlen und Positives im Leben zu genießen, während Negatives vermieden wird (Ryan & Deci, 2001). Das emotionale Wohlbefinden wird entsprechend am Vorhandensein positiver und an der Abwesenheit negativer Gefühle sowie an der allgemeinen subjektiven Lebenszufriedenheit gemessen und oft als „Glück“ zusammengefasst (Ryan & Deci, 2001).

Im Gegensatz dazu steht die eudämonistische Sichtweise, die wahres Glück in der Verwirklichung des individuellen Potenzials sieht und nicht im bloßen Empfinden von Vergnügen (Ryan & Deci, 2001; Waterman, 1993). Diese Perspektive basiert auf der Idee von Aristoteles, dass „wahres Glück in der Ausübung von Tugend“ liege und sich nicht ausschließlich gut anfühlen müsse, sondern auch anstrengend sei (Ryan & Deci, 2001, S.145).

Für die mentale Gesundheit sind nach vorliegendem Verständnis beide Arten von Wohlbefinden essentiell.

Das psychologische Wohlbefinden

Wir erleben psychologisches Wohlbefinden, wenn wir nach persönlicher Exzellenz streben und unser volles Potential entfalten, indem wir persönlich wachsen und uns entwickeln (Waterman, 1993). Indem wir unserem Leben Richtung und Sinn geben und uns selbst mit unseren Stärken und Schwächen akzeptieren (Ryff, 1989). Indem wir in der Lage sind, unsere Lebensbedingungen zu meistern und unsere persönlichen Bedürfnisse zu befriedigen (ebd.). Indem wir autonom sind und nach unseren eigenen Überzeugungen leben und handeln können (ebd.). Indem wir positive Beziehungen zu anderen aufbauen und pflegen (ebd.).

Das soziale Wohlbefinden

Das soziale Wohlbefinden erweitert die mentale Gesundheit um den Aspekt, dass auch unser soziales bzw. öffentliches Leben eine wichtige Rolle für unser Wohlbefinden spielt, und nicht nur der private Bereich (Keyes, 2002). Demnach fühlen wir uns wohl, wenn wir uns als Teil einer Gemeinschaft, eines „größeren Ganzen“, mit anderen verbunden und von anderen akzeptiert fühlen (Keyes, 1998). Wenn wir anderen vertrauen (können) und Gutes von ihnen erwarten (ebd.). Wenn unser Beitrag zum sozialen Leben wertgeschätzt wird (ebd.). Wenn wir die Welt als verständlich und sinnvoll erleben (ebd.). Wenn wir Vertrauen in eine positive Zukunft haben und uns selbst als Teil dieser positiven Entwicklung sehen (ebd.).

Keine Gesundheit ohne psychologische Sicherheit

Die drei Säulen der mentalen Gesundheit stehen nicht für sich allein: Im Zusammenhang mit Leistung ist psychologische Sicherheit ein „wesentlicher Einflussfaktor bei der Überwindung von Hindernissen in der Teamarbeit und bei der Freisetzung des Potentials von Individuen und Organisationen“ (Edmondson & Bransby, 2023, S.61). Sie fördert Lernen, Engagement, Commitment und den offenen Informationsaustausch (Frazier et al., 2017).

Psychologische Sicherheit kann beschrieben werden als „die gemeinsame Überzeugung, dass es in einem Team sicher ist, zwischenmenschliche Risiken einzugehen“ (Edmondson, 1999, S.354). In einem psychologisch sicheren Arbeitsumfeld haben Beschäftigte also das Gefühl, sich ausdrücken und sie selbst sein zu können, ohne beschämt, zurückgewiesen oder ignoriert zu werden (Edmondson, 1999; 2020). Die zwischenmenschlichen Beziehungen in einer Gruppe haben folglich einen direkten Einfluss auf die psychologische Sicherheit (Kahn, 1990).

Karpinski (2024) konnte empirisch nachweisen, dass die psychologische Sicherheit am Arbeitsplatz einen signifikant positiven Einfluss auf die mentale Gesundheit hat und zwischen 7,1% und 16,9% der Varianz bei den drei Säulen erklärt, sodass davon ausgegangen werden kann, dass man mentale Gesundheit mithilfe von psychologischer Sicherheit aktiv fördern kann (ebd.). Auch wenn noch weiterer Forschungsbedarf besteht, um ein genaueres Bild von den Faktoren zu bekommen, welche diesen Zusammenhang begünstigen, ist bereits bekannt, dass Führung und Arbeitsgestaltung die wichtigsten Hebel zur Förderung psychologischer Sicherheit sind (Frazier et al., 2017).

Der Schlüssel: Positive Führung und Arbeitsgestaltung

Wie können Sie also psychologische Sicherheit zugunsten der mentalen Gesundheit der Beschäftigten fördern? Eine Führung und Arbeitsgestaltung, die auf gegenseitige Unterstützung, Gestaltungsspielraum sowie klare Rollen und Verantwortlichkeiten setzen, sind in dieser Hinsicht wesentlich (Edmondson & Bransby, 2023; Frazier et al., 2017; Kahn, 1990). Folgende Aspekte können Sie dabei besonders beachten:

  • Vertrauen ist ein effektives Mittel, um positive Beziehungen aufzubauen. Vertrauen bedeutet mit einer positiven Erwartung in Vorleistung zu gehen und impliziert damit auch das Risiko, enttäuscht zu werden (Clases, 2021). Führungskräfte müssen oft erst in Vorleistung gehen und durch ihr eigenes Verhalten zeigen, dass sie ihren Mitarbeitenden vertrauen, damit diese wiederum ihnen vertrauen (Mishra & Mishra, 2008).
    Führende leben Vertrauen vor, indem sie sich zuverlässig und konsistent verhalten, Offenheit und Transparenz fördern, kompetent handeln und echtes Interesse an ihren Mitarbeitenden zeigen und sich für diese einsetzen (Mishra & Mishra, 2008).
  • Positive Beziehungen am Arbeitsplatz sind sehr ergiebige Quellen für Wohlbefinden und Produktivität und fördern nicht nur Teamwork und prosoziales Verhalten, sondern auch Resilienz und Engagement (Cameron, 2012).
    Nutzen Sie etablierte Strategien wie Teamtage, kurze virtuelle Treffen zum Austausch, oder richten Sie Teamevents aus, um sich besser kennenzulernen und gemeinsam etwas zu erleben.
  • Positive Emotionen tragen nicht nur zu einem guten Arbeitsklima bei, sondern erweitern das Denken und Handeln und bauen persönliche Ressourcen langfristig auf, was Barbara Fredrickson mit dem „Broaden and Build“-Phänomen beschreibt (Cameron, 2012). Negative Erfahrungen hingegen begrenzen diese Flexibilität und schränken Bewältigungsmöglichkeiten ein (Cameron, 2012). Eine Strategie, um trotz der präsenten Herausforderungen ein positives Arbeitsklima zu etablieren, sind Dankbarkeit und unterstützendes Feedback (Cameron, 2012).
  • Gehen Sie als Führungskraft voran und danken Sie ihren Mitarbeitenden für konkrete Leistungen, insbesondere auch solche, die über die eigentliche Aufgabe hinausgehen und zu einem guten Funktionieren des Teams und des Arbeitsklima beitragen. Unterstützendes Feedback meint, Problematisches urteilsfrei und spezifisch zu benennen, wertfrei zu beschreiben, was es auslöst, sowie Wünsche zu äußern und schließlich eine beidseitig akzeptierte Lösung für die konkrete Situation zu finden (Cameron, 2012).

Fazit

Es gibt viele Ansätze, die sowohl die psychologische Sicherheit und mentale Gesundheit fördern als auch die Produktivität am Arbeitsplatz steigern. Die 3 Säulen der mentalen Gesundheit und die beiden Hebel positive Führung und positive Arbeitskultur dienen als wertvolle Ideengeber, um mehr Gesundheit und psychologische Sicherheit in Ihr Unternehmen zu bringen.

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